RUND UM DIE FOHLENGEBURT

Rund um die Fohlengeburt


Vorbereitung:

Eine Trächtigkeitsuntersuchung ist wichtig, um den vorraussichtlichen Abfohltermin errechnen zu können und um zu wissen, ob es sich um eine Einlings- oder Zwillingsträchtigkeit handelt. Zwillingsträchtigkeiten bergen ein hohes Risiko, sowohl für die Stute als auch für die Fohlen.

In der Regel verläuft die Geburt problemlos und völlig ohne fremde Hilfe.

• Ort:
Die Stute sollte ca 8 Wochen vor dem errechneten Abfohldatum in die entgültige Umgebung (Box oder Weide) gebracht werden, zur Gewöhnung an stall- /weidespezifische Keime und Bildung entsprechender Antikörper - wichtig fürs Fohlen.
Abfohlplatz:
• Box sollte sauber und komplett geschlossen sein, um ein Rauskullern oder Verhaken (Fressgitter, Netze, Stromlitze) des Fohlens zu vermeiden, dies gilt auch für eine Geburt auf der Weide.
• Ecken in der Box können abrundet werden um Festliegen zu vermeiden.
• Mit guter Einstreu ausreichend dick einstreuen, um Ausrutschen und Durchliegen zu vermeiden


„Fohlenkiste“
• Telefonliste mit Nummer von Tierarzt, Anhänger, Helfer
• Desinfektionsmittel, Einweghandschuhe und saubere Handtücher
• Jodlösung (z.Bsp.flüssiges Betaisodona) + Schnapsglas
• Eimer für die Nachgeburt und Seil (Strohkordel) zum Hochbinden der Nachgeburt
• Klistier
• Fieberthermometer
• Adresse für Milchpulver, Colostrumpulver und Flasche
• Brauchbare Stricke und stabile Halfter

Nabel
In den meisten Fällen reisst die Nabelschnur nicht während der Geburt. Solange Mutter und Fohlen noch liegen sollte die Nabelschnur nicht durchtrennt werden, damit möglichst viel Blut aus der Plazenta in den Kreislauf den Fohlens gelangt.
Der Abriss der Nabelschnur erfolgt beim Aufstehen der Mutter oder Aufstehversuchen des Fohlens. (Aurich 2009)
Der Bauchnabel ist die Haupteintrittspforte für Keime beim Neugeborenen in den ersten 2 Wochen. Daher mehrfach täglich mit Jodlösung desinfizieren. Dazu nimmt man z.Bsp. ein Schnapsgläschen voll mit flüssigem Betaisodona und tunkt den Nabel darin.
Die Plazenta ist auf Vollständigkeit zu überprüfen, damit nichts mehr in der Stute ist.

Immunsystem des Fohlens
Im Gegensatz zum Menschen können bei der Stute während der Trächtigkeit keine Abwehrstoffe (Antikörper, Immunglobuline) gegen Infektionskrankheiten vom Blut der Mutter durch die Plazenta in das Fohlen gelangen
Fohlen kommen somit ungeschützt auf die Welt und sind auf die mit Antikörper angereicherte Kolostralmilch angewiesen.
Die Aufnahme des Kolostrums ist die erste passive Impfung des Fohlens und umso besser, je gehaltvoller die Biestmilch ist (daher ist regelmäßiges Impfen und Entwurmen der Mutterstute wichtig) Innerhalb der ersten 4 Stunden werden die maternalen Immunglobuline durch die Darmwand in das Blut des Fohlens aufgenommen, danach nimmt die Durchgängigkeit der Darmschranke deutlich ab. Um zu Überleben muss das Fohlen innerhalb der ersten 3-4 Stunden die wichtige Biestmilch erhalten!

Eine ausreichende Kolostrumversorgung ist die beste Prophylaxe von Infektionen bei Neugeborenen!

„Fohlenimpfung“

Eine tatsächliche „Impfung“ von neugeborenen Fohlen existiert nicht!


...
Gelegentlich wird man als Tierarzt noch mit dem Wunsch von Züchtern konfrontiert, die neugeborenen Fohlen zu „impfen“. Für gewöhnlich ist damit die Verabreichung eines „Fohlenlähmeimpfstoffs“ gemeint, die heutzutage nicht mehr als sinnvoll angeschaut wird. Diese Vakzine ist in der Regel mangels Kongruenz mit den Erregern einer Blutvergiftung (Septikämie) nicht wirksam und wegen seiner Immunogenität möglicherweise sogar schädlich. Solch ein „Impfen“ ist aber nicht nur medizinisch sinnlos und falsch, sondern kann auch eine falsche Sicherheit vorspiegeln und von wichtigeren Massnahmen des Managements ablenken wie z.B. die Beachtung von Sauberkeit und Hygiene und anderseits der Optimierung des natürlichen passiven Immuntransfers und dessen Überprüfung und allfälligen Ergänzung am zweiten Lebenstag. Gleiches gilt für das Tetanus-Serum. ....
Textauszug aus:
Impfungen bei der Zuchtstute und beim Fohlen, Hanspeter Meier, Pferdeklinik der Universität Bern


Wenn man also beim Tierarzt nach der Geburt nach einer „Fohlenimpfung“ verlangt handelt es sich um die prophylaktische Gabe von:
- Antibiotika
Die Gabe von Antibiotika hat eine schädigende Wirkung auf die Darmflora, fördert Resistenzen und gilt bei einmaliger Injektion als sogut wie nicht wirksam.
- Paramunitätsinducer
Medikament was die körpereigene Abwehr unterstützt (z.Bsp. Zylexis:)
- Vitaminpräperate
- Tetanusantiserum
Bei normaler Kolostrumversorgung und ausreichendem Impfstatus der Mutter nicht notwendig.
Eine Tetanusimpfung wie auch andere Impfungen vor dem 5. Monat sind absolut kontraindiziert, da durch die Kolostralmilch übertragenden Antikörper die Wirkung einer Impfung regelrecht neutralisiert wird. Das Immunsystem betrachtet den Impfstoff als Erregern, der bekämpft werden muss. Das Immunsystem ist aber noch nicht fähig, eigen Antikörper zu bilden, daher verpufft die Wirkung der Impfung. Es entsteht kein Schutz. Daher ist es sinnlos, sogar schädlich Fohlen so früh zu impfen.

Wichtig zu Wissen: Bei einem gesunden, vitalen Fohlen und regelmäßig geimpfter Stute sind all diese Verabreichungen nicht notwendig.

Empfehlungen, ab wann am besten geimpft wird, sind sehr unterschiedlich: "nicht vor dem 4. Monat" bis "gegen Ende des ersten Lebensjahr". Am besten berät man sich mit dem Tierarzt.

Kleines Frühbeurteilungsschema

Vitales Fohlen:
- vollständiges Stehvermögen und koordinierte Bewegung
- Körpertemperatur
- Mekoniumabgang (Darmpech) bis 8 h nach der Geburt danach Milchkot
- Harnabsatz mehrfach nach der Geburt im normalen Strahl und genügender Menge
- Atmung regelmäßig und gleichmäßig
- Regelmäßiger Kontakt zur Mutter mit Aufsuchen des Euters und Sauggeräuschen

Bei jeder Abweichung der o.g. Punkte Tierarzt rufen!

Hier die Giessener Früherkennungsschemata I und II (PDF-Dokument)


Entwurmung

Würmer beeinflussen nicht nur den Allgemeinzustand der Stute sondern beeinträchtigen auch ihre Milchqualität, was somit direkten Einfluss auf die Entwicklung des Fohlens nimmt. Zudem überträgt die verwurmte Stute die Parasiten auf das Fohlen.
Daher Stute und Fohlen immer zusammen entwurmen
Durch die Geburt werden in der Stute Wurmstadien aktiviert und mit der Milch direkt auf das Fohlen übertragen, daher empfiehlt es sich die Stute am Tag des Abfohlens bzw einen Tag später zu entwurmen, um das Fohlen vor einer starken Belastung mit Wurmparasiten zu schützen. Empfohlen wird Fohlen bis zum Alter von 6 Monaten alle 8 Wochen gemeinsam mit der Mutter zu entwurmen.
Weitere hygienische Massnahmen sind besonders einzuhalten.

Fohlenkissen

• polsterähnliche weiche ,zottige Hornmasse an der Bodenfläche des Hufes, welche die Sohle bedeckt
• Verhindert innere Schädigungen der Stute
• Trocknet nach einigen Tagen ein und fällt von selbst ab
• Das Fohlenkissen sollte im Bedarfsfall niemals mit einem scharfen Messer oder dergleichen entfernt werden, sondern, wenn überhaupt, muß es mit einem geeigneten stumpfen Gegenstand gelöst oder abgedrückt werden. Nur so kann die natürliche Form des späteren Tragrandes erhalten bleiben.

Achtung Flaschenkinder!

Häufig wird das Fohlen viel zu schnell der Mutter weggenommen mit der Begründung, die Stute würde das Fohlen nicht annehmen: die Stute lässt es nicht trinken, sie tritt oder sie beisst nach dem Fohlen. Die Gründe für dieses Verhalten sind nicht immer zu erklären. In diesem Fall hat man als Mensch die Aufgabe der Mutter zu helfen ihr Kind anzunehmen! Dazu braucht es Verständnis für die Stute, gutes Futter, stabile Halfter und Stricke, der Wille zum Erfolg und - wie immer - viel Geduld. Das kann Tage dauern und es ist ein 24-Stunden-Job!! Es erfordert große Anstrengungen für alle Beteiligten und kann auch blaue Flecken bringen, aber es ist jede Mühe wert! Es gibt in dieser Situation keinen größeren Erfolg, als ein Fohlen an die Mutter zubringen.
Es kann auch ein Tierarzt zur Hilfe gerufen werden, der die Stute sediert. So kann das Fohlen erstmal in Ruhe die für es lebenswichtige Biestmilch (Kolostrum) trinken und das Euter entspannt.
Eine Flaschenaufzucht ist weder romantisch noch süß und für das Fohlen die traurigste Lösung, daher sollte es wirklich die allerletzte Option sein!


Viel Erfolg!!





Letzte Änderung: 15.01.2023